Sonntag, 22. November 2015

(K)ein Buch der Offenbarung


Der Durchschnittsdeutsche verbringt im Monat 15,5 Stunden bei Facebook. Dazu kommen die knapp 100 Stunden, die am Smartphone verbracht werden und damit bei Twitter, Instagram und Co. Soziale Netzwerke bestimmen immer mehr das alltägliche Leben, was an sich nicht gleich etwas Verwerfliches darstellt. Facebook rühmt sich beispielsweise neuerdings mit 1,5 Milliarden Nutzern bis September 2015. Ende 2012 hatte es die Milliardenmarke überschritten, 2 Milliarden Benutzer sind nicht mehr weit entfernt. Diese Zahlen erscheinen schon hoch, stellt es aber doch noch eine relativ große Hürde dar, sich bei Facebook einzurichten, von den Massen an WhatsApp-Nutzern kann hier gar keine Rede sein.

Während die Anzahl der Menschen, die sich täglich in den sozialen Netzwerken aufhalten, zunimmt, nimmt auch die Anzahl an Menschen zu, die vermeintlich etwas zu sagen haben. Angefangen als Anlaufstelle für neurotische Selbstdarsteller, hat es sich doch so weit entwickelt, dass jeder Mensch das Mitteilungsbedürfnis in sich entdeckt.

Auch hier lässt sich sagen: Schön und gut, wenn die Nutzer harmlose Katzenvideos oder lustige Fotos posten, aber seit Anfang 2015 ist Facebook eines mehr als je zuvor geworden: Es ist politisch.

Es herrscht Anonymität, und genau hier liegt der Sprengstoff. Jeder teilt seine Meinung aus, wie es ihm gerade passt und das ist auch völlig legitim. Aber diese Meinung wird bei 99% aller Äußerungen völlig verquer wiedergegeben. Da werden Posts in den Kommentaren zerrissen, auf die übelste Art und Weise. Aber dafür ist Facebook nicht geschaffen. Eine politische Diskussion kann nicht mit wüsten Beleidigungen, sondern nur durch Seriosität vorangetrieben werden. Hat man bei einer Zusammenkunft, sei es in der Dorfkneipe oder im Bundestag, noch seinen Gegenspieler vor sich, ist die Hemmschwelle um ein Vielfaches größer, ihm die Meinung beleidigend ins Gesicht zu sagen. Die Ausmaße sind nicht mehr tolerierbar, da kämpfen Fronten oftmals erbittert gegeneinander. Seien es harmlose Kriege zwischen einer Fangruppe, die ihre Lieblings-Boyband verteidigt und denen, die die Musik schlecht finden oder auch Auseinandersetzungen zwischen Pegida-Mitläufern und ihren selbsternannten Gutmenschen. Allgemein lässt sich sehen, dass seit der Flüchtlingskrise dieser Abwärtstrend von Facebook immer stärker zu spüren ist. Wer sich zu sehr von seinen Gefühlen leiten lässt, und das gilt immer für beide Seiten, kann keine sachliche, thematisch wertvolle Diskussion führen. Aber die gibt es bei Facebook eh schon seit Jahren nicht mehr. Und sollte mal etwas wirklich grenzwertiges gesagt werden: Was kümmert es Facebook? Die sind doch noch mit dem Löschen von Nacktbildern beschäftigt.

Ein weiteres Thema ist der Umgang auf Facebook mit sensiblen Themen. Die Terroranschläge von Paris haben die Bevölkerung im größten Ausmaß erschüttert. Völlig logisch, dass jeder seine Solidarität zeigen möchte. Praktisch auch, dass Facebook kaum fünf Stunden nach dem Erfassen aller Anschläge gleich ein Tool zur Verfügung stellt, mit dem man sein Profilbild schön in die Farben der Trikolore tauchen kann. Soweit auch nichts neues, gab es doch schon unzählige solcher Bildverschönerungen. Man bedenke den Regenbogen für die Gleichstellung der homosexuellen Paare in den Vereinigten Staaten, den Anschlag auf Charlie Hebdo oder die anti-israelitischen Bildchen, bei denen konsequent dargestellt wird, wie Palästina unterdrückt wird. Alles Solidaritätsbekundungen, die schnell wieder vergingen. Nur letzteres ist bei bestimmten Gruppen noch zu sehen. Aber genau so ist es auch den Frankreich-Flaggen ergangen. Jeder hat wie wild auf das Tool eingedroschen, jeder musste unbedingt seine Anteilnahme ausdrücken, jeder hat es auf eine temporäre Dauer von zwei Tagen eingestellt. Danach war es vorbei mit der Solidarität, von da an ging es weiter mit den üblichen Diskussionen um die Schuldigen und das Risiko von Terrorismus in Europa. Solidarität kann und soll gezeigt werden, aber wie Facebook damit umgeht ist mehr als fragwürdig, wo doch die Einfärbung von allein wieder rückgängig gemacht wurde.

Am Ende bleibt nur die Vergänglichkeit eines Posts, der entweder nur zu Streitereien in den Kommentaren führt, oder für den man sich am Ende selbst schämt.
Da zählt der Wille sich niemals in heikle, von Emotionen unterwanderten, Diskussionen einzumischen und zu versuchen, sich nicht krankhaft selbstdarstellen zu wollen. Denn dafür gibt es ja noch Instagram.


Ja, und falls der Social-Media-Overkill Überhand nimmt, bleibt immer noch der Ausweg, einfach mal ein paar Stunden abzuschalten und echten, zwischenmenschlichen Konversationen beizuwohnen. 

Freitag, 4. September 2015

Flucht ins Lächerliche

Die EU wird von Politclowns unterwandert und niemand merkt es. Diese Diagnose mag übertrieben klingen, aber es ist genau das, was die europäische Politik gerade zerreißt.

In einer Zeit, in der nichts wichtiger als ein gemeinsamer Konsens wäre.
In einer Zeit, in der täglich Tausende Flüchtlinge vor den Toren Europas stehen und auf Hilfe hoffen.
In einer Zeit, in der jeder Laie seine Meinung im Netz abgeben kann und die Politik damit gleichzeitig vor die größten inner- und außenpolitische Probleme der letzten Jahre stellt.

Und das betrifft nicht nur Deutschland, die Politik und die Medien, das betrifft jedes EU-Land, wie man an den unqualifizierten Aussagen eines ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán festmachen kann. Der erlaubt sich die Dreistigkeit, im EU-Parlament tatsächlich die alleinige Schuld am Flüchtlingsstrom Deutschland zuzuschieben. Dabei ist er nichts weiter als ein Staatsführer, der mit allen Mitteln der Vernunft gescheitert ist und stattdessen Militär und Gewalt im Kauf nimmt, um seine eigene Stellung zu festigen.

Da kommen Flüchtlinge in Budapest an und steigen am Hauptbahnhof in einen Zug, der sie, wie sie glauben, an die österreichische Grenze bringt. Stattdessen landen die Notleidenden aus dem Nahen Osten vor den Toren der Stadt in unmenschlichen Flüchtlingslagern. Damit werden sie genau zu dem, vor dem sie geflohen sind: zu Gefangenen.

Das hält Orbán natürlich für richtig, er ist ja auch der Meinung, weil so viele Menschen nach Deutschland wollen, sei allein Deutschland daran Schuld, dass in den Menschen der Drang geweckt wird, nach Europa zu fliehen.

Fakt ist, dass in Ungarn die meisten Flüchtlinge ankommen, versorgt werden sie dort aber nicht. Stattdessen werden sie genau in das Land geschickt, das ja der mutmaßliche Übeltäter ist: nach Deutschland.
Wohin auch sonst? Ist  Deutschland doch mitunter eines der äußerst wenigen Länder, die sich überhaupt um Flüchtlinge sorgen, und das, obwohl Deutschland selbst von blindem, unbegründeten Hass zerrissen wird.

Solange sich Länder weigern, Flüchtlinge aufzunehmen, oder deren Anzahl auf einige Hundert beschränken, wie es etwa in Polen gehandhabt wird, kann man keine Lösung finden.
Dabei liegt die Lösung klar auf der Hand: Eine durch die Mitgliedschaft in der Europäischen Union gebundene Anzahl an aufzunehmenden Flüchtlingen. Das ist leider unmöglich, weil das Parlament wie so oft mit sich selbst zu kämpfen hat. Das Problem sind ja nicht nur die uneinsichtigen Politiker, die sich gegenseitig die Schuld zuschieben, nein, es hat nicht einmal jemand im Sinn, das Problem zu lösen. In Deutschland werden Abschiebungslager errichtet, die EU-Grenzländer bauen Stacheldrahtzäune, die mit dem Militär bewacht werden. Jedes Land kocht sein eigenes Süppchen, ungeachtet dessen, dass die EU als Institution darunter zusammenbricht.

Das Problem ist nicht zu lösen, solange jedes Land eigensinnig denkt. Und es ist vor allem nicht mit Leuten wie Viktor Orbán zu lösen, Politikern, die jedes Problem nur von sich wegschieben. Aber das ist das Problem der EU. Es prallen zu viele Ansichten aus Ländern aufeinander, die mit einer offenen Grundeinstellung manchmal nichts mehr zu tun haben. So braucht sich allerdings auch niemand wundern, wenn irgendwann gar nichts mehr läuft.

Montag, 27. Juli 2015

Das Unwort der Jugend

„Der Discopumper oxidiert nur rum, weil er Augentinnitus hat.“ Etwas verstanden? Kein Wunder wenn nicht, besteht der Satz doch aus Anwärtern zum Jugendwort des Jahres 2015. Übersetzt: Der muskulöse Discobesucher sitzt nur herum, weil er von Langweilern umgeben ist.
Auch heuer kennt das Fremdschämen zur Wahl keine Grenzen, der Langenscheidt-Verlag veranstaltet  nun schon zum achten Mal sein Laienschauspiel.

Da steht nur wieder die Eine Frage im Raum: Wozu das Ganze? Sicherlich nicht, um die Sprachkultur der deutschen Jugendlichen zu verherrlichen, als vielmehr ein unscheinbares Langenscheidt-Produkt zu vermarkten. Und das funktioniert.

Der Aufbau der Wahl ist durchaus leicht zu verstehen: Der Verlag legt eine Liste mit etwaigen Jugendwörtern zur Online-Abstimmung bereit, bei der dann jeder abstimmen kann. Ist die Vorauswahl abgeschlossen, fällt eine Jury die endgültige Entscheidung über das Gewinnerwort. Eine Jury, die von sich aus behauptet, nah an der jugendlichen Community dran zu sein. Das sind sie natürlich nicht.

Man muss zugeben, die Gewinner der letzten Jahre hat man durchaus gekannt, sie wurden auch so im Sprachraum genutzt. Man denke dabei an YOLO im Jahr 2012, das vor allem in den Sozialen Medien totgetrampelt wurde.  Auch „Babo“, das Jugendwort im Jahr 2013 hatte durch den Rapper Haftbefehl  seine Blütezeit von vier Wochen. Danach war es so gut wie verschwunden, sollte es heute jemand benutzen, dann nur mit einem ironischen Unterton. Daran erkannt man schon den Fehler im System einer solchen Wahl, die sich selbst zu Ziel setzt, die Entwicklung der Sprache zu dokumentieren.  Die Entwicklung läuft der Wahl davon, ist doch jedes Wort, das doch angeblich von jedem Jugendlichen benutzt wird, schon längst wieder in der Versenkung verschwunden.

Auffallend ist auch, dass sich einstige Jugendwörter schon selbst neu erfinden. Das Selfie hat sich gerade im gesamtdeutschen Raum, auch bei der älteren Generation, etabliert, da kommt ein gelber Verlag daher und bezeichnet das Selfie als „Egoshoot“, weil das ja angeblich die neue Version ist. Blöd nur, dass davon noch nie jemand Gebrauch gemacht hat. Da liegt die Vermutung nahe, der Langenscheidt-Verlag suche verzweifelt nach extravaganten Wörtern in den Tiefen des Internets. Solange, bis ein User endlich mal ein Wort erfindet, das man schön für eine solche Wahl verwenden kann. Wie sollte man sonst auf ein Wort wie „INOKLA“ für „inoffizieller Klassensprecher“ kommen?

Umso schöner ist es zu hören, dass heuer der erste Skandal auftrat: Man musste „Alpha-Kevin“ aus dem Repertoire nehmen, da es zu diskriminierend ist. Und das, obwohl es mit Abstand das beliebteste der Wörter war. Natürlich ist die Entscheidung nachvollziehbar, es darf niemand diskriminiert werden. Trotzdem muss man sagen, dass es eines der wenigen Wörter war, die überhaupt jemals verwendet wurden, wenn auch nur auf Facebook. Bleibt nur noch „merkeln“  als Spitzenreiter übrig, ein Wort, das jemanden als faul und nichtsnutzig bezeichnet. Das ist natürlich dann nicht diskriminierend, geht es doch nur um die Bundeskanzlerin.

Der Langenscheidt-Verlag ist trotzdem glücklich, man bekommt genügend Aufmerksamkeit für Werbezwecke. Dem allgemeinen deutschen jugendlichen Sprecher bleibt nichts anderes übrig, als die Wahl zu ignorieren und den wirklichen Sprachgebrauch auszuleben, der mit den Jugendwörtern der letzten vier Jahre auskommen muss. Diese dürften wohl das Maximum der Extravaganz aus der deutschen Jugendsprache rausgeholt haben.


Man kann nur darauf hoffen, dass die Wahl irgendwann wirklich Wörter aus dem Sprachraum aufnimmt, ansonsten macht der Langenscheidt-Verlag nichts anderes, als vor sich hin zu „kompostieren“.

Freitag, 24. Juli 2015

An der Grenze zur Vernunft

Krieg, Wirtschaft, Asyl. Das sind die Themen, denen sich die bayerische Politik im Bezug auf die Flüchtlingsproblematik gegenüber sieht. Ein ewiges Thema, steht die Politik doch zwischen Weltoffenheit und Verklemmtheit der Ewiggestrigen in Deutschland. Bayern sorgt für Furore, mit dem Plan, Asylbewerberheime an der deutsch-tschechischen Grenze zu errichten, um Wirtschaftsflüchtlinge schneller abschieben zu können. Klingt durchaus logisch, um die Flüchtlingswelle zu ebnen, ist es doch nur wieder ein Schnellschuss der bayerischen Politik, kurzfristige Pläne zu schmieden, die das Problem letztendlich nicht lösen.

Natürlich sind viele der Flüchtlinge nicht dazu befugt, hierher zu kommen, nur weil hier angeblich das Paradies ist. Das Paradies in einem Land, in dem noch viel zu oft Hass gegen Flüchtlinge geschürt wird, die alles Andere als das Paradies auf Erden erfahren werden.

Natürlich muss man gegensteuern, aber mit undurchsichtigen Abschiebungslagern? Sicherlich nicht. Die Politik sucht nach einer Lösung, um die Problematik in möglichst kurzer Zeit, mit möglichst wenig Aufwand zu lösen, die angepeilten Maßnahmen wirken jedoch alles andere als langwierig.
Sollte man nicht endlich einsehen, dass man die Gründe für ein Flüchten bekämpfen muss, um Deutschland zu entlasten? Vor allem im Balkan, dem Herkunftsland der Wirtschaftsflüchtlinge sollte das doch durchaus ohne große Militärgewalt machbar sein. Die Situation ist eine andere, als jene, die die Menschen im von Bürgerkriegen geplagten Afrika zur Flucht zwingt.

Einzig die Schleuser müssen bekämpft werden, versprechen sie doch die heile Welt, zu viele fallen darauf rein. Verbessert man die wirtschaftliche Lage auf dem Balkan, hilft man der Politik auf dem Balkan eine funktionierende Wirtschaft aufzubauen, so haben die Schleuser bald keine Einnahmequelle mehr.

Natürlich ist auch das leichter gesagt als getan. Rumänien und Bulgarien können durchaus noch von der EU beeinflusst werden, beim Kosovo ist das leider nicht möglich. Und genau da kommen die meisten Wirtschaftsflüchtlinge her. Da bleibt nur Hilfe, die die gesamtdeutsche Politik durchführen muss.

Herrmann und Seehofer müssen einsehen, dass mit solch ignoranter Politik nichts langfristig erreicht werden kann, sind die Spannungen im bayrischen Landtag doch zurzeit eh schon so groß, dass nur wenig Zeit für konstruktive Politik bleibt. Das muss sich schleunigst ändern, vor allem im Falle der Asylpolitik müssen auch andere Institutionen mitbestimmen dürfen. Nicht umsonst bezeichnet der deutsche Flüchtlingsrat die Pläne als Diskriminierung. In Zeiten, in denen Seehofer nichts erreicht, müssen auch andere mitwirken.

An der Flüchtlingswelle ändert das Ganze aber noch nichts. Ein Mensch, der Zuflucht im großen Europa sucht, wird viel zu oft menschenunwürdig behandelt. Das betrifft alle Flüchtlinge in Deutschland und der EU. Letztere ist auch alles andere als unschuldig in der Misere. Eine einheitliche Flüchtlingspolitik wird seit langem gefordert, aber was passiert? Nichts.
Es kann nicht sein, dass sich ein Großteil der EU-Mitglieder den Asylbewerbern komplett verschließt, würde da mehr in den deutschen Nachbarstaaten passieren, wäre Deutschland, insbesondere aber Bayern, deutlich entlasten. Aber es ist so in der EU, wie es immer ist. Deutschland allein muss alles ausbügeln.


Man sieht, viel muss geändert werden. Jegliche Flüchtlingspolitik erfordert Reformen, nur dürfen die nicht von der CSU dominiert werden. Flüchtlingslager zu errichten, nur um des Abschiebens Willen, darf nicht die Folge sein. Die EU ist in der Pflicht, sowohl die innereuropäische Politik zu strukturieren, als auch die Gründe für eine Flucht der Menschen aus ihrer Heimat zu reduzieren. Krieg und Zeiten der wirtschaftlichen Not wird es immer geben. Auch das Ankommen weiterer Flüchtlinge kann und soll nicht verhindert werden. Man kann die Situation aber sicherlich verbessern und das nicht nur mit hastig errichteten Abschiebungslagern.

Dienstag, 7. Juli 2015

Platt und Pleite

Gläubige und Gläubiger. Zwei ähnliche Begriffe, die nichts gemeinsam haben, aber für die Griechen trotzdem relativ nah beieinander stehen. Griechenlands Gläubiger verlieren die Hoffnung, jemals das Geld wiederzusehen, die Griechen glauben im Referendum trotzdem, dass sich unter Alexis Tspiras noch alles zum Guten wenden kann.

Viele Politiker in den EU-Mitgliedsstaaten fordern den Grexit, keiner weiß wie genau. Aber das ist doch wieder das althergebrachte Problem der EU: Jeder fordert nur, keiner packt was an. Und wenn einer was anpackt, so wie Griechenland das im Referendum versucht hat, dann versagt man vollständig. Die Griechen stimmen für Ja oder Nein, nur um die Frage zu beantworten ob man Sparpakete möchte oder nicht. Hängen die wirtschaftlichen und sozialen Probleme in Griechenland wirklich von so einer banalen Frage ab? Sicher nicht.

Tsipras fährt seine Anti-EU-Schiene weiter, hat damit unter den Hellenen auch durchaus Erfolg, was die Volksabstimmung ja wieder bezeugt. Der Nutzen davon ist aber weder ihm, noch den Griechen, noch den EU-Verantwortlichen klar. Sie reden aneinander vorbei, es werden Drohungen gemacht, welche aber niemals wahr werden. Und dabei ist doch genau das Nötig: Ein Druck auf alle Beteiligten, aber nicht um Kurzschlussentscheidungen zu treffen, sondern um endlich etwas durchsetzen zu können.
Das wollen jedoch weder die griechische Regierung, noch das EU-Parlament wirklich. Stattdessen macht man sich nur leere Drohungen.

Aber wer kümmert sich um die Griechen als Individuen? Die Bevölkerung wird zerissen zwischen wirtschaftlichen und politischen Ansprüchen. Konsequenzen wie etwa eine Sperre der Geldautomaten sind nur nötig aufgrund der jahrelangen politischen Misere, sind sie doch nur ein Symbol für die missliche Lage der Griechen im Moment.
Da ist es auch nur klar, dass man für Ja stimmt. 

Natürlich haben die Griechen ein Recht auf ein freies Verfügen über ihre Finanzen.

Natürlich haben die Griechen ein Recht auf Demonstrationen gegen die EU.

Niemand möchte im Privatleben weiter durch die Sparmaßnahmen eingeschränkt werden.

Aber Tspiras die unüberlegten Lobesreden auf das griechische Volk abkaufen? Das ist auch nicht der richtige Weg. Die Griechen argumentieren, die EU habe sie mit den jahrelangen Sparmaßnahmen endgültig in den Abgrund getrieben. Die EU hat sich nicht richtig verhalten, nur Auflagen zu stellen und Geld nach Griechenland zu pumpen, ohne den direkten Nutzen des Geldes zu kontrollieren. Die EU muss sich auch nach dem Referendum verbessern.
Eines wird aber vergessen: Warum sind Sparmaßnahmen überhaupt nötig? Weil die Regierung jahrzehntelang versagt hat. Steuern wurden nur sporadisch erhoben, das Renteneintrittsalter war auch äußerst undurchsichtig festgelegt. Wenn man solches Basiswissen aus dem Grundschatz der Staatsführung nicht beachtet, kann ein Staat wirtschaftlich nur zum Scheitern verurteilt sein.  Da hätte es aber an den Griechen liegen müssen, diese Steuern abzugeben, zu arbeiten, so lange es nötig ist, um die Liquidität eines Staates zu sichern.

Ein Umdenken, das schon vor Jahren hätte stattfinden müssen. Jetzt ist es sicherlich zu spät. Sobald man dermaßen in das Privatleben eines Einzelnen einschreiten muss, kann man nur sehr schwer die Ordnung im Staat wiederherstellen.

Griechenland hat nur noch wenige Alternativen. Man kann weiter einen Schuldenschnitt fordern, der von EU-Seite sicher nicht kommen wird, auch ein Hoffen auf weitere Gelder ohne Auflagen, wie es zweifelsohne von Tsipras gefordert wird ist ebenso unwahrscheinlich. Sollten alle Stricke reißen, bleibt nur eine Währungsreform, ob diese mit einem Austritt aus der Eurozone zusammenhängt sei dahingestellt.

Alle Beteiligten müssen schleunigst eine Lösung finden, vielleicht können die Griechen dann wieder anfangen zu glauben, dass die Geldautomaten eines Tages wieder mehr Geld herausgeben können.

Freitag, 19. Juni 2015

Überfahren

Armselig. Nichts weiter ist das Prestigeprojekt einer bayrischen Winzlingspartei im Bundestag, die PKW-Maut. Verkehrsminister Alexander Dobrindt bekommt jetzt die Rechnung dafür und das auch völlig zu Recht. Die EU-Kommission fügte dem CSU-Projekt einen so verheerenden Schaden hinzu, sodass Dobrindt jetzt die Notbremse ziehen musste und das umstrittenste Verkehrsprojekt der letzten Jahre auf unbekannte Zeit verschieben musste.

Aber wie konnte es überhaupt so weit kommen? Wie konnte man bei der CSU wirklich der Meinung sein, den Bürgern scheinheilig das Geld über eine Senkung der KFZ-Steuer wiederzugeben und dabei  bei Ausländern gnadenlos abzukassieren? Natürlich wird erneut alles auf die anderen geschoben. Schuld ist wieder die böse EU, die ja nur an sich denkt und sich immer in die Angelegenheiten des deutschen Staates einmischt. Aber kann man der EU-Kommission verübeln, dass auch noch andere Länder Mitglied  im Staatenbund sind, die nicht nur ausgenutzt werden wollen, wenn deren Bürger über deutsche Straßen fahren?

Die Grundidee der Maut ist ja durchaus recht edel. Die Deutschen müssen in Österreich, Italien und Frankreich Maut zahlen, dann sollen das die Autofahrer aus Österreich, Italien und Frankreich auch in Deutschland machen. Dabei wird aber vergessen, dass die betroffenen Fahrer auch in ihrem eigenen Inland für die Benutzung der Straßen zahlen müssen. Aber Deutschland will sein eigenes Süppchen kochen, hat es nur leider selbst versalzt.

Das Verfahren am Europäischen Gerichtshof dürfte zu lange dauern, um die Maut noch in der Legislaturperiode bis 2017 durchzusetzen, was danach geschehen ist bleibt offen, profitierte von den Plänen doch nur eine einzige Partei: die CSU.

Selbst innerhalb der Partei bröckelt der Rückhalt, die Union spaltet sich. Einige reden vom Super-GAU, andere sehen sogar schon die Bundestagswahlen 2017 oder die Landtagswahlen 2018 in Bayern in Gefahr. Und das nur, weil ein sturer Ministerpräsident und ein ebensolcher Verkehrsminister die Maut einführen wollten, obwohl nicht selten von europäischer Seite gewarnt worden, die Maut werde gründlich untersucht werden. Da kommt es wie es kommen muss: Der Gesetzesentwurf ist nicht mit den EU-Werten vereinbar. Selbst Schuld, könnte man da fast sagen.

Mit politischen Plänen, die im Grunde von der gesamten „Normalbevölkerung“ gehasst werden, kann man auf die Dauer aber keine erfolgreiche Politik machen.  Das einzige Projekt, das die CSU zum Koalitionsvertrag beigetragen hat ist gescheitert, und auch andere Themen werden in Bayern zum Brennpunkt: Man denke an die Stromtrasse, die die Bevölkerung in ähnlicher Weise gespalten hat.

Seehofer hatte mal angekündigt, ohne PKW-Maut würde er keine Politik in der Großen Koalition betreiben. Die Maut ist gescheitert. Seehofer muss also zu seinem Wort stehen.

Sonntag, 14. Juni 2015

Gefangen im Cyberraum

Angela Merkel hat das Internet für die Politik 2013 ganz treffend auf den Punkt gebracht: Neuland. Der Kanzlerin mag man es verzeihen können, wenn das Internet als Sache betrachtet wird, die selbst nach mehr als 20 Jahren als neu betrachtet wird. Bezogen auf den Hacker-Angriff auf den Bundestag passt es wie die Faust aufs Auge. Eines der wichtigsten Staatsorgane muss zusehen, wie die betroffenen Abgeordneten auf ominöse Anhänge in E-Mails klicken und dadurch das Netzwerk des Bundestags angreifbar machen.

Und all das, obwohl seit Jahren auch von politischer Seite gepredigt wird, dass genau über solche Mails viele der vermeintlichen Viren in das System kommen. Unwissenheit, Unsicherheit und Ignoranz kommen nicht das erste Mal in der Politik vor. Anstatt nach den Ursachen des Angriffs zu suchen, der vermeintlich vom russischen Geheimdienst ausging, verabschiedet der Bundestag in aller Ruhe ein IT-Sicherheitsgesetz für Firmen die ein angreifbares Ziel bilden, für den Bundestag selbst kommt dieses Gesetz allerdings deutlich zu spät.

Sollte ein so wichtiges Verfassungsorgan wie der Bundestag nicht mit den besten IT-Leuten ausgestattet sein und einen dementsprechenden Sicherheitsstandard besitzen? Anscheinend nicht,  hatte man doch nur über zwei Jahrzehnte Zeit sich über die Gefahren des Internets auf kritische Informationen bewusst zu werden.  Die Abgeordneten schämen sich und machen das was sie immer tun, wenn etwas fragwürdiges im Bundestag passiert. Sie suchen die Ursachen bei allen anderen, aber nicht bei sich.

Aber auch in Deutschland sollte man sich den Möglichkeiten der Online-Kriegsführung bewusst werden. USA und China, Nordkorea und Japan, Russland und Deutschland. Alles Länder, die sich in den letzten Monaten und Jahren gegenseitig die Schuld an diversen Hackerangriffen zuschoben. Nach den Angriffen Anfang Juni auf Daten hochrangiger US-amerikanischer Beamter drohen die USA sogar mit finanziellen Sanktionen gegen die Volksrepublik China. Und das, wo die USA doch die größte Spionage der neueren Zeit mit dem PRISM-Programm vorzuweisen haben.

Aber kann es eine Lösung sein, Geheimdienste aufeinander zu hetzen um Informationen zu erlangen, die den einzelnen Regierungen doch eh nichts bringen? Ein gemeinsamer Dialog zu den Gefahren des Internets wäre da deutlich hilfreicher. Natürlich wird das nicht passieren, solange jede Nation ihre eigenen kleinen Hackerangriffe startet und die anderen nur allzu gern bereit sind, ihnen diese Informationen auch noch zu geben.

Und damit wieder zurück zum Bundestag. Die Verantwortlichen sollten schleunigst an einer Verbesserung der Sicherheitsmaßnahmen arbeiten, damit weitere Angriffe in Zukunft ausgeschlossen werden können. Und auch die Politiker selbst sollten sich langsam ernsthaft mit dem Thema Internet auseinandersetzen, waren sie es doch selbst, die für ein Gelingen des Angriffes gesorgt haben.

Vielleicht kann Angela Merkel dann endgültig im Neuland ankommen, auch wenn sie dann wohl oder übel feststellen werden muss, dass das Land schon Jahre vorher von sogenannten „Nerds“  beansprucht wurde, die tatsächlich schon lange dort leben. 

Sonntag, 31. Mai 2015

Eigentor

Wie Blatter der FIFA nur selbst schadet

Kaiser. Ein Titel, der bisher nur Franz Beckenbauer gebührte. Aber was ist der FIFA-Präsident Josef Blatter denn auch anderes als ein gnadenloser Fußball-Monarch, dem die Strukturen seiner eigenen Institution weitestgehend egal sind? Da werden zwei Tage vor dem FIFA-Kongress, bei dem Blatter selbstverständlich wiedergewählt wird, sieben hochrangige Funktionäre aufgrund von undurchsichtigen Machenschaften verhaftet, das Ansehen der FIFA sinkt immer tiefer und doch werden Vorfälle heruntergespielt, das Leben im Fußballolymp geht scheinbar ganz normal weiter.

Was Blatter dabei nicht beachtet: Er kann weiter seine Machtposition behalten und stärken, aber was hilft das, wenn die FIFA von den Medien schon als Mafia bezeichnet wird?

Eine Institution, die letztendlich für eines der größten sportlichen Ereignisse der Welt verantwortlich ist.

Eine Institution, die für Fairness im Fußball stehen sollte, aber in den eigenen Reihen alles andere als fair handelt.

Eine Institution, von der eigentlich erwartet werden könnte, dass unter dem enormen Druck der einzelnen Verbände, der Medien und auch der Spieler, Änderungen durchgeführt werden können, um wieder den Sinn des Sports Fußball in den Vordergrund zu rücken.

Aber genau das wird nicht passieren solange Blatter noch die Zügel in der Hand hält. Doch wie lange kann das noch gut gehen? Selbst UEFA-Präsident Michel Platini hatte auf Blatter eingeredet und ihn zur Vernunft bringen wollen. Als DFB-Chef Wolfgang Niersbach die Hand gegen Blatter erhob, soll dieser laut Blatters eigenen Aussagen von Franz Beckenbauer „zusammengefaltet“ worden sein.
Und damit noch einmal zur Kaiserrolle: Auch der ursprüngliche „Kaiser“ Franz Beckenbauer wird immer mehr in die FIFA-Misere hineingezogen. Er ist einer der letzten Mitstreiter Blatters, die noch das Bollwerk gegen den Spott der Fußballwelt bilden. Dabei stellt sich erneut die Frage: Wie kann es sein, dass eine einstige deutsche „Fußballlegende“ und ein stolpernder schweizer Monarch allein eine Organisation stützen können von der sich ein Großteil der 209 nationalen Fußballverbände langsam aber sicher abwenden?

Lange können sie sich dieser Überlegenheit nicht mehr sicher sein, sollten die schweizerischen und amerikanischen Behörden noch mehr Fälle aufdecken und den Skandal einfach nicht abbrechen lassen. Dann bleibt Blatter eigentlich keine andere Wahl mehr, als zurückzutreten. Ob er wirklich weitere vier Jahre regieren kann sei dahingestellt, gut für das Ansehen der FIFA ist es sicherlich nicht.

Auch mit einem Rücktritt Blatters wäre es noch lange nicht getan. Solange korrupte, mafiaähnliche Strukturen in der FIFA herrschen kann sie nicht zur Ruhe kommen, eine Reform der gesamten Organisation ist hier nötig.
Dabei sollten auch jegliche WM-Vergaben der letzten Jahre berücksichtigt werden. In einem Land wie Katar, in dem jeden Tag Arbeiter zu Tode kommen, während sie Stadien für die 2022 stattfindende Weltmeisterschaft bauen, kann man nicht ein Fußballfest feiern, dass für Frieden und Harmonie steht. Der Bau mag zwar schon zu weit fortgeschritten sein um eine WM im Wüstenstaat noch zu verhindern, allerdings sollte man die Umstände doch deutlich verbessern.


Aber solange die beiden Kaiser uneinsichtig weitermachen in ihrer zwielichtigen Behörde, kann nur auf einen langsamen Zerfall ihres kleinen Fußball-Reiches spekuliert werden, damit die FIFA sich wieder um das kümmern kann, wofür sie eigentlich da ist: Den Fußball für alle Menschen erfahrbar zu machen ohne dabei unweigerlich jemanden zu schaden. 

Freitag, 22. Mai 2015

(Ge-) Wehrlos

Auch Ursula von der Leyen stolpert im Amt des Verteidigungsministers

Zuverlässig – fehlerhaft. Zwei Adjektive, die bereits für das Sturmgewehr G36 von Heckler und Koch verwendet wurden. Ursprünglich galt es als eine der besten Waffen der Bundeswehr, eine Waffe, die seit beinahe 20 Jahren von der Armee genutzt wird. Dieses Image konnte aber nur so lange erhalten werden, bis 2012 der Spiegel erstmals über das Problem der Ungenauigkeit bei längerer Benutzung berichtete. So lange unter Ausschluss der Öffentlichkeit behandelt, bis Ende April in einer Pressekonferenz bekannt wurde, dass das Gewehr alles andere als zuverlässig schießt und sogar lebensgefährlich sein kann.

Aber kann die Öffentlichkeit wirklich die Verteidigungsministerin dafür verantwortlich machen? Die Antwort lautet, zumindest auf die Frage, warum sie das Problem so lange verschwiegen hat, eindeutig Ja. Laut Herstellerangaben hatte das Unternehmen schon Ende 2013 den Bundeswehr-Geheimdienst MAD informiert, auch wenn die Ministerin nicht von Anfang an Bescheid wusste, so hat sie doch noch viel zu lange gewartet um die Reißleine zu ziehen. Das hat sie nun getan, das G36 wird ausgemustert und Detlef Selhausen, ein ranghoher Ministeriumsbeauftragter wurde entlassen, vor allem um den Schaden der ausgearteten Affäre zu begrenzen. Beamte als Art Bauernopfer zu entlassen um selbst die Misere von sich zu lenken kann in der modernen Politik aber auch keine Lösung sein, die Probleme müssen bei allen Beteiligten gesucht werden, nicht zuletzt bei dem Unternehmen, bei dem vor über 20  Jahren die Entwicklung des fraglichen Gewehrs begann, nämlich Heckler und Koch.

Diese sehen sich laut Pressemitteilung des Vorstandes auch nur als Opfer der Politik, das G36 habe ja jahrelang ohne Probleme seinen Dienst getan. Sie verlieren mit dem G36 nicht nur einen ihrer Verkaufsschlager, sondern auch noch einen guten Teil ihres Rufes, was wohl der schwerwiegendere Punkt sein dürfte. Auch hier stellt sich die Frage: Warum kann eine Firma, die todbringende Waffen herstellt, nicht das Gewehr aus dem Verkehr ziehen und so unnötige Risiken im Kriegseinsatz vermeiden? Wie auch schon im Ministerium gilt hier: Nur wenn alle Beteiligten zusammenarbeiten, kann man eine Lösung finden. Ein Einschalten des Geheimdienstes durch Heckler und Koch reicht da bei Weitem nicht aus. 

Ein Austausch der ca. 170000 vorhandenen G36-Gewehre bleibt da der einzige Ausweg, ein Imageschaden ist natürlich trotzdem die logische Konsequenz. Wie auch schon von der Leyens Vorgänger als Verteidigungsminister, Thomas de Maizière, der durch die Eurohawk-Affäre stark in Bedrängnis geriet,  sieht sich von der Leyen auch wieder dem ungebändigten Spott der Bevölkerung ausgesetzt. Nun scheint es in vielerlei Hinsicht so als wäre für viele Minister das Amt  mehr ein Fluch als ein Segen, mit dem Thema Rüstung gehen die Deutschen von Grund auf schon äußerst kritisch um.


Sollte das Verteidigungsministerium also immer wieder brisante Themen geheim halten, so kann es sich dem Misstrauen der Bevölkerung sicher sein. Nur wenn die Institutionen der Politik, der Wirtschaft und auch die der Betroffenen selbst zusammenarbeiten, besteht doch noch die Chance, dass Heckler und Koch ein Gewehr entwickeln können, welches auch auf die Dauer mit „zuverlässig“ beschrieben werden kann.

Dienstag, 19. Mai 2015

Auf dem Abstellgleis

Bahnkunden leiden erneut unter GDL-Streik

„Fahrt fällt aus“. Diese in rot aufleuchtende Meldung dürfte eingefleischten Kunden des Online-Service der Deutschen Bahn nur allzu gut bekannt sein. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ruft zum neunten Mal im aktuellen Konflikt zum Streik auf und die leidtragenden Pendler stehen erneut vor der Frage: „Wozu das Ganze?“

Und die Frage ist durchaus berechtigt. GDL-Chef Claus Weselsky macht seit Monaten seine Forderungen klar, möchte die Bahn einen Kompromiss finden, ist der Gewerkschafter absolut nicht zu einer Einigung bereit. Zugegeben, die Bahn hat an der Misere alles andere als Unschuld, kann auch sie sich nur schwerlich damit anfreunden auf Weselsky zuzugehen. Die geforderten Punkte sind in vielerlei Hinsicht durchaus schlüssig, eine Verbesserung der Lokführer-Tarife ist sicherlich nötig. Nur stellt die GDL zu viele Forderungen an die Bahn, die damit nur mehr abgeschreckt wird. Beide Parteien sind insofern beide nicht zu wirklichen Verhandlungen bereit, weil jede Seite mit möglichst wenigen Kompromissen alle Forderungen durchsetzen möchte.

Ersatzfahrpläne, Verspätungen, Streiks. Begriffe, mit denen die Bahn mittlerweile identifiziert wird, hatte sie doch schon vor dem GDL-Tarifkonflikt nicht den besten Ruf bei den Kunden. Auch hier stellt sich die Frage: Wie lange machen die Bahnkunden das Durcheinander noch mit? Immerhin sind ja die Bahn und damit auch die Lokführer vom  Besuchsaufkommen abhängig, was sowohl für die Zeit des Streikes, aber auch darüber hinaus alles andere als dem wirtschaftlichen Profit zuträglich ist. Weselsky schadet der Bahn mehr, als diese durch die Tariferhöhungen wieder erwirtschaften könnten und schneidet sich damit ins eigene Fleisch.

Eine Schlichtung wird nur schwer möglich sein, solange Krawall-Claus weiter die Position seiner Gewerkschaft ausbauen will und die Bahn nicht einlenken möchte. Der ehemalige Verkehrsminister Peter Ramsauer (CDU) schlug nun die Verbeamtung der Lokführer vor, die Streikfrage könnte damit erst mal geklärt werden. Aber dass auch diese Idee nur Wunschdenken bleibt, ist natürlich zu erwarten, würde man doch den Einfluss der Lokführer-Gewerkschaften soweit herabsetzten, dass nur noch mit mehr Ärger zu rechnen wäre und das nicht nur von Seiten der GDL, sondern auch von Seiten der weitaus größeren Gewerkschaft, der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG).


Bleibt am Ende nur noch zu hoffen, dass die kleinen roten Anmerkungen im Fahrplan der deutschen Bahn möglichst schnell wieder verschwinden und nicht mehr so schnell auftauchen, damit sich die Lage in der Bahn-Landschaft etwas entspannen kann.