Der
Durchschnittsdeutsche verbringt im Monat 15,5 Stunden bei Facebook. Dazu kommen die knapp 100 Stunden, die am
Smartphone verbracht werden und damit bei Twitter, Instagram und Co. Soziale
Netzwerke bestimmen immer mehr das alltägliche Leben, was an sich nicht gleich
etwas Verwerfliches darstellt. Facebook rühmt sich beispielsweise neuerdings
mit 1,5 Milliarden Nutzern bis September 2015. Ende 2012 hatte es die
Milliardenmarke überschritten, 2 Milliarden Benutzer sind nicht mehr weit
entfernt. Diese Zahlen erscheinen schon hoch, stellt es aber doch noch eine
relativ große Hürde dar, sich bei Facebook einzurichten, von den Massen an
WhatsApp-Nutzern kann hier gar keine Rede sein.
Während die
Anzahl der Menschen, die sich täglich in den sozialen Netzwerken aufhalten,
zunimmt, nimmt auch die Anzahl an Menschen zu, die vermeintlich etwas zu sagen
haben. Angefangen als Anlaufstelle für neurotische Selbstdarsteller, hat es
sich doch so weit entwickelt, dass jeder Mensch das Mitteilungsbedürfnis in
sich entdeckt.
Auch hier
lässt sich sagen: Schön und gut, wenn die Nutzer harmlose Katzenvideos oder
lustige Fotos posten, aber seit Anfang 2015 ist Facebook eines mehr als je
zuvor geworden: Es ist politisch.
Es herrscht
Anonymität, und genau hier liegt der Sprengstoff. Jeder teilt seine Meinung
aus, wie es ihm gerade passt und das ist auch völlig legitim. Aber diese
Meinung wird bei 99% aller Äußerungen völlig verquer wiedergegeben. Da werden
Posts in den Kommentaren zerrissen, auf die übelste Art und Weise. Aber
dafür ist Facebook nicht geschaffen. Eine politische Diskussion kann nicht mit
wüsten Beleidigungen, sondern nur durch Seriosität vorangetrieben werden. Hat
man bei einer Zusammenkunft, sei es in der Dorfkneipe oder im Bundestag, noch
seinen Gegenspieler vor sich, ist die Hemmschwelle um ein Vielfaches größer,
ihm die Meinung beleidigend ins Gesicht zu sagen. Die Ausmaße sind nicht mehr
tolerierbar, da kämpfen Fronten oftmals erbittert gegeneinander. Seien es
harmlose Kriege zwischen einer Fangruppe, die ihre Lieblings-Boyband verteidigt
und denen, die die Musik schlecht finden oder auch Auseinandersetzungen
zwischen Pegida-Mitläufern und ihren selbsternannten Gutmenschen. Allgemein
lässt sich sehen, dass seit der Flüchtlingskrise dieser Abwärtstrend von
Facebook immer stärker zu spüren ist. Wer sich zu sehr von seinen Gefühlen
leiten lässt, und das gilt immer für beide Seiten, kann keine sachliche,
thematisch wertvolle Diskussion führen. Aber die gibt es bei Facebook eh schon
seit Jahren nicht mehr. Und sollte mal etwas wirklich grenzwertiges gesagt
werden: Was kümmert es Facebook? Die sind doch noch mit dem Löschen von
Nacktbildern beschäftigt.
Ein weiteres
Thema ist der Umgang auf Facebook mit sensiblen Themen. Die Terroranschläge von
Paris haben die Bevölkerung im größten Ausmaß erschüttert. Völlig logisch, dass
jeder seine Solidarität zeigen möchte. Praktisch auch, dass Facebook kaum fünf
Stunden nach dem Erfassen aller Anschläge gleich ein Tool zur Verfügung stellt,
mit dem man sein Profilbild schön in die Farben der Trikolore tauchen kann.
Soweit auch nichts neues, gab es doch schon unzählige solcher
Bildverschönerungen. Man bedenke den Regenbogen für die Gleichstellung der
homosexuellen Paare in den Vereinigten Staaten, den Anschlag auf Charlie Hebdo
oder die anti-israelitischen Bildchen, bei denen konsequent dargestellt wird,
wie Palästina unterdrückt wird. Alles Solidaritätsbekundungen, die schnell
wieder vergingen. Nur letzteres ist bei bestimmten Gruppen noch zu sehen. Aber
genau so ist es auch den Frankreich-Flaggen ergangen. Jeder hat wie wild auf
das Tool eingedroschen, jeder musste unbedingt seine Anteilnahme ausdrücken,
jeder hat es auf eine temporäre Dauer von zwei Tagen eingestellt. Danach war es
vorbei mit der Solidarität, von da an ging es weiter mit den üblichen
Diskussionen um die Schuldigen und das Risiko von Terrorismus in Europa. Solidarität
kann und soll gezeigt werden, aber wie Facebook damit umgeht ist mehr als
fragwürdig, wo doch die Einfärbung von allein wieder rückgängig gemacht wurde.
Am Ende
bleibt nur die Vergänglichkeit eines Posts, der entweder nur zu Streitereien in
den Kommentaren führt, oder für den man sich am Ende selbst schämt.
Da zählt der
Wille sich niemals in heikle, von Emotionen unterwanderten, Diskussionen
einzumischen und zu versuchen, sich nicht krankhaft selbstdarstellen zu wollen.
Denn dafür gibt es ja noch Instagram.
Ja, und falls
der Social-Media-Overkill Überhand nimmt, bleibt immer noch der Ausweg, einfach
mal ein paar Stunden abzuschalten und echten, zwischenmenschlichen
Konversationen beizuwohnen.